München · Da schau her! Albrecht Ackerland über die Zukunft von 1860

Ich fordere den sofortigen Abstieg dieses Vereins! Dies hinzuschreiben tat weh, jeden Buchstaben musste ich einzeln meinen Fingern abringen, denn der TSV München von 1860 liegt mir am Herzen. Sehr sogar. Was schreibt er dann einen solchen Hundsmist hin, mögen Sie jetzt vielleicht fragen.

Ich bin mir nicht sicher ob ich ein Fan bin, zumindest bin ich keiner, der Woche für Woche mitfiebert, am Radio sitzt, sich den Ticker aufs Handy holt, den aktuellen Gesundheitszustand der Spieler und den Geisteszustand der Vereinsvorderen samt Trainer diskutiert, der sich an jeder Spielminute noch einmal am Boazn-Tresen abarbeitet.

Ich bin keiner, dessen seelisches wie körperliches Wohlbefinden vom Tabellenplatz abhängt. Ich trinke gerne Weißbier in Lokalitäten, ich schätze meinen Körper und meist auch meinen Geist – allein schon deshalb verbietet es sich von selbst, diesem Verein Raum zu schaffen in dem Tempel meiner Glückseligkeit. Meiner Giesinger Boazn.

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Ein aussichtsloser Kampf in jenem Terrain, dem Untergang geweiht, mehr noch als er den Sechzgern seit jeher prophezeit wird, und der ja auch stattfindet seit 1966. Meine Hauptwaffe dort entstammt dem Prinzip der psychologischen Kriegsführung: Sagen, dass man aufgibt, auch wenn man es nicht so meint. Übertragen auf des Boazn-Gespräch heißt das: „Ich weiß jetzt grad gar nicht – spielt der Roland Kneißl eigentlich noch, weißt schon, der Magic?“ Zack, bumm, aus is'! Rückzug beim Gegner. „Mei, Ackerland, du Depp!“

Ich bin hoffnungsloser Sympathisant dieses Vereins, in jungen Jahren Grünwalder Stadionluft geschnuppert, seit Jahren Bewohner der erweiterten Nachbarschaft dieses heil'gen Ortes am Berg: das prägt. Warum dann die Forderung des Abstiegs? Weil dann alles so wird wie früher. Ich bin über sehr viele Errungenschaften der Zeit sehr froh, nur die Sechzger, die ham gefälligst in ihrem Sechzger zu spielen. Und wenn ich's noch hundert Mal hinausplärren muss samt meinem missratenen Fußballverstand: Das schaffen wir nur, wenn der Verein absteigt, zwangsabsteigt oder halb Pleite geht oder alles zusammen. Dann derrappeln wir uns schon wieder, und in Giesing gibt’s wieder ein Königreich – das uns ganz nebenbei davor schützt, dass dieses Viertel als nächstes dran ist mit dem Schickwerden.

Die Anwohner, die sich jetzt schon beschweren über vereinzelt grölende Fans auf den Straßen und angebliches Verkehrschaos, die sind schon die ersten Vorboten dieser Entgiesingisierung. Karsten Wettberg, übernehmen Sie!

Jede Woche einmal: Albrecht Ackerland

Artikel vom 14.01.2010
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