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München · Da schau her! Albrecht Ackerland über Schülerbetreuung
Im Grunde mochte ich sie ja doch: Tante Mare. Wenn meine Mutter zwei, dreimal die Woche zum Arbeiten ging, dann musste sie es vielleicht nicht, aber sie wollte, und dann musste die Tante Mare her. Die Tante Mare hatte keine Ahnung vom Leben und vom Jugendbuch, vom Fernsehen verstand sie seit Joachim Kulenkampff nichts mehr, was ja auch nicht das Schlechteste war, aber auf der Höhe der Zeit war sie nicht.
Man konnte mit ihr keine ordentlichen Gespräche führen, so wie sie ein Zehnjähriger führen will, sie konnte keine Fragen beantworten. Außer die eine: Darf ich raus? Nein, es regnet. Die Tante Mare war ein alter Besen, so hätten sie manche vielleicht voller fehlendem Respekt vor dem gereiften Alter genannt. In meinen Augen war sie übrigens nur alt, von Reife hatte ich allein schon von Instinkt wegen bei ihr nichts bemerkt. Alte Besen kehren gut (weil sie die Ecken besser kennen), sagt man, was im übertragenen Sinn tatsächlich stimmte. Wenn meine Mutter nach Hause kam, dann blitzte die Wohnung, und sie bekam zu hören, was sie denn für einen Saustall von Haushalt führen müsse, kein Wunder, wo doch dieser Saubub von Bub nicht nur beim Regen raus, sondern auch wieder rein will.
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Aus heutiger Sicht weiß ich: Sie tat es alles nur aus Liebe. Also meine Mutter. Wahrscheinlich ging sie ohnehin nicht zum Arbeiten, sondern strawanzte im oberbayerischen Schnürlregen umadum und lachte sich eins, weil die Tante, die noch nicht mal eine echte war, aber der man schon vertrauen konnte, beim Bub ein Regiment führte. Wenn's hart auf hart käme, dann könne sich der schon wehren, dazu hab ich ihn ja erzogen, mag sie sich gedacht haben. Was auch stimmte. Und: Wenn sie heimkam, war auch noch die Wohnung sauber. So hatte also jeder eine Freude. Ich auch, weil mir war das eh alles wurscht.
Heutzutage ist das nicht mehr so leicht bei den Kleinen. Da gibt’s nicht mehr so leicht eine Tante Mare, die muss selber arbeiten, und die Mutter muss auch arbeiten, die Betonung liegt hier auf „muss“. Es wäre ja wirklich schön, wenn das noch so funktionierte, einer arbeitet, der andere arbeitet mit den Kindern, wer, das ist egal. Aber das ist eine andere Tragik, dass das so nicht ist. Außerdem: Es will ja auch jeder am Leben außerhalb des Haushalts teilnehmen. Das liebe Kinderl braucht also eine Beschäftigung am Nachmittag.
Wenn ich jetzt höre, dass das Kultusministerium rumfuhrwerkt in einem Feld, das so wie's ist, einen Sinn ergibt, dann fühle ich mich an diese Tante Mare erinnert. Und übel nehme ich das eklatante Nicht-Verstehen der Behörden: Dass es der Bildung hilft, wenn manche Kinder am Nachmittag sich auf Erwachsene beziehen können, die nicht einem Schulrektor unterstehen. Immer wieder traurig, wenn Kompetenzen nicht geschätzt, ja unterschätzt werden. In dem Fall trifft es die Sozialpädagogen. Wieder mal.
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