Umweltzone: Strafzettel gibt es nur einmal pro Woche

München · Freie Fahrt ohne Wapperl?

Pickerl für die City: Seit 1. Oktober 2008 dürfen nur noch Autos mit grüner, gelber oder roter Plakette in die Münchner Innenstadt. Foto: sm/Dekra

Pickerl für die City: Seit 1. Oktober 2008 dürfen nur noch Autos mit grüner, gelber oder roter Plakette in die Münchner Innenstadt. Foto: sm/Dekra

Seit 1. Oktober 2008 braucht man für Fahrten in die Münchner Innenstadt eine gültige Feinstaubplakette. Wer trotzdem in die City fährt, riskiert ein Bußgeld in Höhe von 40 Euro sowie einen Punkt in Flensburg. So weit, so gut. Doch was nützen hohe Strafen und Punkte in Flensburg, wenn kaum Kontrollen stattfinden? Der Bund Naturschutz (BN) kritisiert, dass die Umweltzone in den drei betroffenen Sektoren lediglich an einzelnen Tagen kontrolliert wird.

„Im zentralen Bereich der Innenstadt beispielsweise erfolgt die Kontrolle nur am Samstag“, erklärt Rudolf Nützel, BN-Geschäftsführer der Kreisgruppe München. An anderen Tagen werden dort keine Strafzettel verteilt, auch wenn eine Kontrolle auf ein Auto ohne Plakette stößt. Pendler ohne Plakette haben damit im Zentrum nichts zu befürchten.“ Je Sektor würde gerade mal an einem Wochentag die Einhaltung der Umweltzone kontrolliert, im Osten der Stadt immer dienstags, im Norden immer donnerstags. „Ein handfester Skandal“, ist Nützel empört. „Da geht es um unsere Gesundheit und um Menschenleben. Es ist wirklich ein starkes Stück, dass die Verwaltung das nicht ernst nimmt.“

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Freie Fahrt also für Wapperlsünder? „Davon kann keine Rede sein“, sagt Daniela Schlegel, Pressesprecherin des Kreisverwaltungsreferats (KVR). „Dem beugen wir bewusst vor, indem unsere Kontrollen variieren. Niemand kann sich darauf verlassen, wann in seinem Straßenzug kontrolliert wird.“

Für die Kontrollen der Umweltplakette ist der Zuständigkeitsbereich zwischen KVR und Polizei aufgeteilt. Das KVR sei für 42 Parklizenzgebiete zuständig, die Polizei für 13, teilt Schlegel mit. „Eine tägliche, flächendeckende Überwachung der Plakettenpflicht ist nicht zielführend, da dem Kraftfahrer Gelegenheit gegeben werden soll, aufgrund der Beanstandung die erforderliche Plakette zu erwerben.“ Nach einem erlassenen Bußgeldbescheid wird dem Autofahrer also eine Kulanzzeit eingeräumt, in der er sich die nötige Plakette besorgen kann. Weist er diese vor, kommt er ohne Strafe davon. „Das ist eine Win-win-Situation“, erklärt Schlegel. „Der Bürger kann sich die 40 Euro und den Punkt in Flensburg sparen, und wir erreichen, dass er sich eine Plakette anschafft. Damit ist dem Bürger, uns und der Umwelt geholfen.“

Das sieht der Bund Naturschutz anders: „München boykottiert die Anstrengungen zur Reinhaltung der Luft. Anstatt sich für den Gesundheitsschutz einzusetzen, gewährt die Stadt Wapperlsündern freie Fahrt. Es ist ein Skandal, dass München eine Ausnahmegenehmigung zur Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte beantragt, seine Maßnahmen aber nicht, wie von der EU gefordert, wirksam kontrolliert“, so Martin Hänsel, Feinstaubexperte beim Bund Naturschutz. 6.308 Verstöße registrierte das Kreisverwaltungsreferat im Jahr 2009, zu tatsächlichen Bußgeldbescheiden kam es allerdings nur in 1.239 der Fälle. Bei der Polizei kam es in diesem Jahr bereits zu 5.400 Anzeigen.

Erst kürzlich haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München eine Abnahme der Feinstaubbelastung gegenüber dem Vorjahr feststellen können. Am Stachus registrierten die Wissenschaftler ein Minus von zehn Prozent, an der Prinzregentenstraße sogar minus zwölf Prozent und auch an der Landshuter Allee zeigte sich mit einem Minus von neun Prozent ein klarer Rückgang der relativen Belastung.

„Das ist ein absoluter Gewinn für die Münchner und zeigt, dass die Umweltzone weiter verbessert werden muss“, sagt Nützel. Der Bund Naturschutz fordere die Stadt deshalb auf, sofort wirksame Kontrollen durchzuführen. Aus Sicht des BN ist das Münchner Vorgehen nämlich bundesweit einmalig. Es sei fraglich, ob die Münchner Praxis rechtlich überhaupt zulässig ist und ob München mit diesem Vorgehen die EU-Vorgaben für eine Ausnahmegenehmigung zur Einhaltung der Feinstaubgrenzwerte bis 2011 noch erfüllt. Auch die Situation im Zuständigkeitsbereich der Polizei sehe nicht besser aus.

Laut BN herrsche in vielen Polizeidienststellen „Unsicherheit über den Umgang mit der Umweltzone“. Konkreter wurde der BN allerdings nicht. Diese Aussage stößt bei Dieter Bauer, dem stellvertretenden Leiter der Verkehrsabteilung des Polizeipräsidiums München, nur auf Verwunderung: „Es erschließt sich mir nicht, wie der Bund Naturschutz zu dieser Auffassung gelangt. Bisher habe ich keine Rückmeldung erhalten, dass es diesbezüglich Probleme geben würde. Es ist alles klar geregelt.“

Von Stefanie Moser

Artikel vom 20.08.2009
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